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Digitale Transformation - Digitale Pionierunternehmen erzielen höhere Umsätze

Teil 9 - Jetzt haben wir es schwarz auf weiss: Digitale Pionierunternehmen erzielen höhere Umsätze, sind profitabler und haben eine höhere Marktbewertung

Digitale Transformation

von Sven Ruoss
29.10.2015
Digitale Transformation

Gemäss den Forschungen der MIT Sloan School of Management in Kooperation mit Capgemini Consulting ist die digitale Reife von Unternehmungen bzw. Organisationen eine Kombination der folgenden zwei Dimensionen:

  • Digitale Kompetenz
  • Intensität Transformationsmanagement

Unter der digitalen Kompetenz werden die Initiativen verstanden, die durch neue Technologien ermöglicht werden. Dies sind beispielsweise neue interne Prozesse, neues Customer Engagement oder auch neue digitale Geschäftsmodelle.

Bei der zweiten Dimension geht es um die Führungsfähigkeit im Unternehmen bzw. der Organisation, die notwendig ist, um die digitale Transformation in der Organisation voranzutreiben. Sie beinhaltet beispielsweise eine klare Vision, wie die Zukunft des Unternehmens gestaltet werden kann, Governance und Engagement, um die digitale Transformation zu steuern. Ebenfalls von Bedeutung sind die Beziehungen zwischen Business und IT, die einen Einfluss darauf haben, ob und in welchem Tempo die technologiebasierten Veränderungen umgesetzt werden.

Die beiden Dimensionen werden in einer 2×2-Matrix zusammengefasst, sodass daraus vier Typen entstehen, die die digitale Reife beschreiben.

Digital Beginners

Digital Beginners befinden sich in der Matrix unten links. Sie verfügen sowohl über eine schwache digitale Intensität als auch über geringe Führungsfähigkeiten zum digitalen Wandel. Diese Unternehmen können zwar in traditionellen Anwendungen wie ERP oder elektronischer Verkauf über ein hohes Know-how verfügen, jedoch nutzen sie die Möglichkeiten der Digitalisierung noch deutlich zu wenig. Teilweise sind die Unternehmen bewusst in diesem Quadranten, teilweise auch aus Zufall. Sie starten gelegentlich kleinere digitale Projekte, jedoch ohne ein notwendiges Change Management.

Digital Fashionistas

Im oberen linken Quadranten befinden sich die Digital Fashionistas. Diese Unternehmen haben bereits mit verschiedensten digitalen Anwendungen experimentiert und diese erfolgreich implementiert. Einige dieser Projekte schufen einen Mehrwert, andere jedoch nicht. Die benötigte Energie und Bereitschaft für den digitalen Wandel ist bei den Mitarbeitenden vorhanden. Häufig fehlt jedoch eine übergeordnete digitale Strategie, wie durch die Digitalisierung der Mehrwert sowohl für den Kunden als auch für das Unternehmen maximiert werden kann. Bei den Digital Fashionistas finden sich auch viele Unternehmen mit einer unterschiedlichen internen digitalen Reife. Einige Unternehmensbereiche sind bereits weit fortgeschritten, andere hingegen stehen erst am Anfang.

Digital Conservatives

Digital Conservatives werden die Unternehmen bzw. Organisationen im unteren rechten Quadranten genannt. Bei ihnen ist die Vorsicht stark ausgeprägt. Typischerweise sind sie gegenüber dem Mehrwert der neuen digitalen Trends skeptisch. Infolgedessen verzichten sie gelegentlich auf wertvolle Möglichkeiten der Digitalisierung. Für die Digital Conservatives ist eine digitale Strategie mit einer von allen getragenen Vision wichtig. Das Management erarbeitet Strategien für die neue digitale Governance sowie eine digitale Unternehmenskultur und Entscheide für digitale Investments werden wohlüberlegt gefällt.

Digital Digirati

Unternehmen im rechten oberen Quadranten werden Digital Digirati genannt. Diese Unternehmen verstehen es, mit der digitalen Transformation Mehrwert zu schaffen. Sie kombinieren eine digitale Strategie, Vision, Governance und Engagement mit ausreichenden Investitionen in neue digitale Projekte. Mit ihrem Vorgehen entwickeln und etablieren sie eine digitale Kultur im Unternehmen, die wiederum hilft, weitere Veränderungen vorzunehmen und zu implementieren. Die digitalen Projekte werden vorbildlich koordiniert und aufeinander abgestimmt. Ihren digitalen Wettbewerbsvorteil entwickeln diese Unternehmen kontinuierlich weiter.

Der digitale Reifeprozess wächst gemäss MIT Sloan Management Review normalerweise von den Digital Beginners über Digital Conversatives und Digital Fashionistas zu Digital Digirati, dem höchsten digitalen Reifegrad.

Zwei Drittel der Unternehmen sind digitale Anfänger

Im Research Report 2013 „Embracing Digital Technology“ findet der Leser eine prozentuale Aufteilung der Unternehmen auf die vier Unternehmenstypen der digitalen Reife (Siehe Abbildung unten). Basierend auf einer Online-Umfrage haben insgesamt 1559 Personen aus 106 Ländern ihre Einschätzungen abgegeben. Die meisten Antworten kamen aus den USA (37 %), Indien (11 %) und Kanada (5 %). Die Antwortenden repräsentieren verschiedene Unternehmensgrössen. Beinahe die Hälfte der Befragten (47 %) arbeiten in Unternehmen mit weniger als 250 Millionen Dollar Umsatz. 19 % der Antwortenden sind in Unternehmen mit einem Umsatz zwischen 250 Millionen und 1 Milliarde Dollar beschäftigt. In sehr grossen Unternehmen mit Umsätzen von über 1 Milliarde Dollar arbeitet ein Drittel (33 %).

Die Analyse der Umfrage brachte zum Vorschein, dass rund zwei Drittel der Befragten (65 %) als Digital Beginners eingestuft werden müssen. Obschon 78 % der Befragten angaben, dass die digitale Transformation für ihr Unternehmen innerhalb der nächsten zwei Jahre erfolgskritisch wird, haben die meisten von ihnen den digitalen Wandel noch nicht mit der nötigen Dringlichkeit gestartet. 14 % werden als Digital Conservatives eingestuft. Diese Unternehmen sind bezüglich neuer Technologien träge, obschon das Management eine Vision und effektive Strukturen definiert hat, um die digitale Transformation voranzutreiben. Lediglich 6 % der Befragten sind Digital Fashionistas, die in aggressiver Weise neue Technologien ausprobieren, ohne grossen Wert auf eine übergeordnete digitale Strategie und Koordination zwischen den einzelnen Geschäftsbereichen zu legen. Die höchste digitale Reifekategorie erreichten in der Studie 15 % aller Befragten. Die Studie zeigt auf eindrückliche Weise die Problematik der digitalen Transformation auf. Die Unternehmen erkennen zwar, dass die Digitalisierung auch für ihr Unternehmen wichtig wird, jedoch reagiert eine Mehrheit nur zögerlich darauf. Lediglich bei 38 % der Befragten ist die digitale Transformation ein gesetztes Thema auf der CEO-Agenda. 65 % gaben jedoch zu Protokoll, dass die Digitalisierung im Unternehmen eine grössere Bedeutung erhalten sollte, als sie heute bekommt. Interessant ist auch der Glaube an die zukünftigen Wettbewerbsvorteile zwischen den einzelnen Typen. 81 % der Unternehmen, bei denen die digitale Transformation ein fixes Issue auf der CEO-Agenda ist, glauben daran, dass ihr Unternehmen in zwei Jahren wettbewerbsfähiger sein wird. Dies steht in deutlichem Kontrast zu jenen Unternehmen, bei denen die digitale Transformation kein Managementthema ist. Bei diesen gehen lediglich 18 % davon aus, dass ihr Unternehmen in zwei Jahren wettbewerbsfähiger sein wird, während beinahe die Hälfte (46 %) glaubt, an Wettbewerbsfähigkeit zu verlieren.

Relation zwischen digitaler Reife und finanzieller Performance klar gegeben

Diese vermutete unterschiedliche Wettbewerbsfähigkeit wird durch eine andere Studie über den digitalen Vorteil mit harten Zahlen untermauert. In der Studie „The Digital Advantage: How digital leaders outperfom their peer in every industry“ von MIT Sloan Management und Capgemini Consulting wurden insgesamt 469 Senior Executives von 391 grossen Unternehmen über die digitale Transformation befragt. Auf Basis der Interviews wurden diese Unternehmen in eine der vier Kategorien der digitalen Reife eingeteilt. Von diesen 391 Unternehmen waren 184 öffentlich börsenkotierte Unternehmen, deren finanzielle Performance für die Analyse verwendet werden konnte. Dadurch liess sich die Beziehung zwischen digitaler Reife und finanzieller Performance analysieren. Um die Vergleichbarkeit sicherzustellen, wurden die finanziellen Performance-Werte branchenbereinigt und die finanziellen Indikatoren zu folgenden drei grundlegenden Key Performance Indicators (KPIs) zusammengefasst: Umsatz (Indikatoren Umsatz pro FTE, Umsatz des Anlagevermögens), Profitabilität (EBIT-Marge, Reingewinnmarge) und Marktbewertung (Tobins Quotient, Kurs-Buchwert-Verhältnis).

Die Unterschiede zwischen den vier Unternehmenskategorien sind auffallend (Siehe Abbildung unten). Digital Digirati erzielen in allen drei Dimensionen die besten Werte. Sie erreichen gegenüber dem Branchendurchschnitt um 9 % bessere Umsatzwerte, sind um 26 % profitabler und ihre Marktbewertung ist um 12 % höher. Dabei muss klar festgestellt werden, dass der Vorteil von Digital Digirati mehr als die Summe der Leistungssteigerungen von Digital Conservatives und Digital Fashionistas ist. Digital Digirati kombinieren Bestwerte bei der digitalen Intensität und der Intensität der Führung der Transformation, um so eine Überperformance zu erreichen, die grösser ist, als jede der beiden Dimensionen alleine abliefern kann. Digital Fashionistas erzielen durch ihre digitalen Projekte 6 % bessere Umsatzwerte. Durch die hohen Investitionen verlieren sie jedoch an Profitabilität (–11 %). Ihr aggressives digitales Vorgehen wird bei der Marktbewertung mit einem Minus von 12 % bestraft. Digital Conservatives verlieren gegenüber dem Branchendurchschnitt mit 10 % deutlich bei den Umsatzwerten. Die Profitabilität hingegen ist durch fehlende Investitionen um 9 % überdurchschnittlich. Auch die Marktbewertung liegt um 7 % über dem Branchendurchschnitt. Digital Beginners sind in allen drei Dimensionen gegenüber dem Branchendurchschnitt unterdurchschnittlich. Sie verlieren 4 % bei den Umsatzwerten, 7 % bei der Marktbewertung und bedeutende 24 % bei der Profitabilität.

Die Unterschiede können wie folgt zusammengefasst werden:

  • Umsatz: Unternehmen mit einer stärkeren digitalen Intensität erzielen bessere Umsätze. Digital Digirati und Digital Fashionistas schneiden beim Umsatz um 9% bzw.6 % besser ab.
  • Profitabilität: Unternehmen mit einer stärkeren Intensität der Transformationsführung sind profitabler. Digital Digirati und Digital Conservatives erzielen eine um 26 % bzw. 9 % bessere Profitabilität gegenüber ihren Konkurrenten aus der gleichen Branche.
  • Marktbewerbung: Unternehmen mit einer stärkeren Intensität der Transformationsführung erreichen eine höhere Marktbewertung.

Finanzielle Performance der vier Unternehmenstypen der digitalen Reife (in Anlehnung an MIT Center for Digital Business, 2012)

Zu den Digital Beginners gehören die Branchen “Pharma”, “Konsumwaren” und “Produktion”

Die digitale Transformation bewegt sich in einzelnen Branchen schneller als in anderen. Die untenstehende Abbildung zeigt den prozentualen Anteil in den vier Unternehmenskategorien in den einzelnen Branchen. So sind beispielsweise über vier Fünftel der Unternehmen im Reise- und Gastgewerbe Digital Digirati oder Digital Fashionistas. In dieser Branche finden sich keine Digital Beginners mehr. Einen Anteil an Digital Digirati von einem Drittel oder höher weisen die Branchen „Technologie“ (38 %), „Banken“ (35 %) und „Versicherungen“ (33 %) auf. Der höchste Anteil an Digital Beginners findet sich in den Branchen „Produktion“ (45 %), „Pharma“ (33 %) und „Konsumwaren“ (32 %). Viele Unternehmen aus der Versicherungs- (33 %) und Dienstleistungsbranche (40 %) sind im Quadrant Digital Fashionistas anzutreffen. Die höchsten prozentualen Werte von „Digital Fashionistas“ zeigen die Branchen „Tourismus“ (50 %), „Telekommunikation“ (48 %) und „Pharma“ (43 %).

Basierend auf diesen Angaben kann auch die digitale Reife der kompletten Branche angegeben werden. Technologieunternehmen weisen den höchsten Grad an digitaler Reife auf und gehören zu den „Digital Digirati“. Ebenfalls in diesen Quadraten gehören die Branchen „Banken“ und „Handel“. Banken haben in den letzten Jahren intensiv ins Online- und Mobilebanking investiert und so einerseits Kosten reduziert und andererseits neue bequeme Kundenlösungen entwickelt. Tourismus und Telekommunikation gehören zu den Digital Fashionistas. Ihre Geschäftsmodelle haben sich in den letzten Jahren markant verändert und neue technologische Anwendungen wurden eingeführt. Jedoch genügt die Intensität des Managements für die Transformation nicht ganz, um als Digital Digirati gezählt zu werden. Versicherungen und Dienstleistungen sind im Quadrant der Digital Conservatives zu Hause. Gemäss Einschätzung des Autors ist der Druck in diesen Branchen noch zu gering und die Mitarbeitenden sind skeptisch, da die Digitalisierung auch Arbeitsplätze reduzieren kann. Zu den Digital Beginners gehören die Branchen „Pharma“, „Konsumwaren“ und „Produktion“.

Die untenstehende Abbildung zeigt eindrücklich, wie unterschiedlich der digitale Reifegrad in den einzelnen Branchen ist. Sie bringt aber auch zum Ausdruck, dass in sämtlichen Branchen Unternehmen gefunden werden, die als Digital Digirati vom Mehrwert der Digitalisierung profitieren. Für Digital Beginners ist dies klar als Appell zu verstehen, in die digitale Transformation zu investieren.

Die Studie bringt den Call-To-Action wie folgt auf den Punkt:

Digital Beginners in any industries are several years from gaining the digital maturity that their Digirati competitors already possess“.

Digitale Reife der einzelnen Branchen (in Anlehnung an MIT Center for Digital Business, 2012)

12-teilige Serie zum Thema “Digitale Transformation”

Dieser Artikel ist ein Teil einer 12-teiligen Serie zum Thema “Digitale Transformation”. Die weiteren Teile findet man unter folgenden Links.

Über Sven Ruoss (31. Mai 1982): Sein Berufsweg führte Ihn von der Beratungs- in die Medienbranche. Seit vier Jahren arbeitet er im Bereich Business Development bei verschiedenen Medienunternehmen in der Schweiz (Tamedia, watson) und setzt sich für die digitale Transformation in der Medienbranche ein. Nebenamtlich ist Ruoss als Studienleiter des CAS Social Media Management und als Dozent am Center for Digital Business der HWZ Hochschule für Wirtschaft Zürich engagiert. Sein Betriebswirtschaftsstudium schloss Ruoss 2008 als M.A. in Marketing, Services and Communication Management an der Universität St. Gallen (HSG) ab. In seiner Freizeit rennt er gerne Marathons. Mindestens einmal pro Jahr macht er eine digitale Diät und besteigt Berge - ohne Smartphone und ohne Internet. www.svenruoss.ch

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